Chronik Zupforchester Wanderclub Edelweiß


 

HISTORIE

Mandolinenorchester des Wanderclub „Edelweiß“ Dudenhofen

 

Das Wandern in die freie Natur mit Mandoline und Gitarre um den Hals versinnbildlicht heute noch die so genannte „Wandervogelbewegung“ in den so genannten Gründerjahren, den „20er Jahren“. Viele Wandervereine, in denen mit Mandoline und Gitarre musiziert wurde, entstanden und nahmen ganz unterschiedliche Entwicklungen.

 

Wo das Interesse für die Zupfmusik dominierte, wurde schon bald der Verein in ein Mandolinenorchester umgewandelt, welches nur noch gelegentlich eine kleine Fahrt oder Wanderung unternahm. So geschehen bereits 1924 bei unserem Nachbarverein Neu-Isenburg. Andere Vereine wurden hingegen zu reinen Wandervereinen, da das Musizieren sich nicht halten konnte. Hier in Dudenhofen fuhr - oder besser wanderte man - „zweigleisig“: Die überwiegende Mehrheit der Mitglieder verschrieb sich dem Wandern, während  ein kleiner Kreis der Zupfmusik verfiel und zunächst beides tat. Dieser konzentrierte sich aber im Laufe der Jahrzehnte immer mehr auf das Musizieren.

 

Nicht viel ist aufgeschrieben bzw. überliefert worden. Hier sei ein Dankeschön an unser Mitglied Philipp Kämmerer weitergegeben, aus dessen Aufzeichnungen die nachfolgenden Erinnerungen teilweise entnommen sind.

 

In den Jahren bis zum zweiten Weltkrieg bildete sich um Gründer Friedrich Wilhelm Klein bereits eine Gruppe, die unter großen Entbehrungen einige Instrumente erstand, sich sonntags morgens im Wald traf und unter freiem Himmel probte. Schon damals bestand eine Freundschaft mit den “Spessartfreunden“ in Neu-Isenburg, deren Schwerpunkt die Zupfmusik war. Im Jahr 1925 fand mit großem Erfolg das erste gemeinsame Konzert im Saal der „Michelsbräu“ in Dudenhofen statt.

 

Unermüdlich und selbstlos erteilte Wilhelm Klein interessierten Jugendlichen Musikunterricht. Die Gruppe nahm unter seiner Leitung an Mandolinenwettstreiten in Kiedrich und Babenhausen teil. Zum 10-jährigen Stiftungsfest 1933 richtete der Verein selbst einen Mandolinenwettstreit aus. Höhepunkt war die Aufführung des „Wolgaliedes“ aus der Operette „Der Zarewitsch“, extra arrangiert für Mandolinenorchester mit Gesang. Schade, dass dieses Arrangement nicht mehr auffindbar ist, es hätte für heute eine großartige „Nummer“ abgegeben.

 

Ab dem Jahr 1935, als viele der Spieler zum Wehrdienst eingezogen wurden, begannen schwierige Zeiten und während des Krieges ruhte dann die Orchesterarbeit gezwungenermaßen völlig.

 

Der zweite Weltkrieg riss große Lücken in die Vereinsreihen. Wieder übernahm Wilhelm Klein unverdrossen den Aufbau des Mandolinenorchesters, erteilte Unterricht und konnte eine neue Generation Jugendlicher zum Mitspielen motivieren.

 

Sein Bruder Philipp Klein übernahm 1955 den Taktstock. Unbeschwert und eifrig probte man jeden Freitag beim „Schützenhöfer“ oder im Wohnzimmer des Bahnhofsvorstehers Philipp Klein. Später beim „Delaidotti“ und als das vereinseigene Wanderheim erbaut war, fand man hier ein endgültiges Domizil. Ein wenig respektlos aber dennoch wohlwollend, nannte man die Spieler und Spielerinnen im Ort „die Klimperer“. Die Entwicklung schritt fort. Immer mehr Jugendliche, die zeitweilig sogar ein eigenes Jugendorchester bildeten, wurden ausgebildet und kamen in das Orchester um zu musizieren. Ansprüche und Zielsetzungen bekamen neue Konturen, doch die Grenzen schienen erreicht. Eine Zeit lang drohte mit dem Stillstand der Rückschritt.

 

Als 1973 der Neffe von Philipp Klein, Rudolf Schüler, Vollblutmusiker mit Blasmusikhintergrund, den Dirigentenstab übernahm und auf organisatorischem Gebiet seine Nichte Gisela Schmidt, Mandolinenspielerin aus Leidenschaft, ins Geschehen eingriff, hatte die Suche nach neuen Wegen Erfolg. In den 18 Jahren unter Rudolf Schüler ging es in kleinen Schritten stetig aufwärts. Dies zeigt vor allem das Notenarchiv wie der Blick in einen Spiegel. Das Jahreskonzert am 3. Advent wurde zur festen Einrichtung. Jedes Konzert erhielt seine besondere Note. Durch Hinzuziehung von anderen Instrumenten, Solisten, Musikgruppen und Chören erlebten die Zuhörer, wie abwechslungsreich und vielfältig Zupfmusik sein kann. Ein wachsender Zuhörerkreis von ganz speziell an Zupfmusik interessierten Besuchern bildete sich heran.

 

Viele Kontakte wurden geknüpft, man spielte nicht mehr „nur für sich“ sondern für und mit Anderen. 1979 veranstaltete der BDZ Bund Deutscher Zupfmusiker Hessen den ersten Fortbildungslehrgang, an dem u.a. Gisela Schmidt teilnahm. Seitdem ist die Teilnahme an Seminaren und Lehrgängen von Spielern aus Dudenhofen an der Tagesordnung. Ein neues Selbstbewusstsein, neue Klang- und Repertoirvorstellungen entstanden und das bei den Lehrgängen Erlernte wurde multiplikatorisch in das gesamte Orchester hinein getragen.

 

Irgendwann war nicht mehr zu übersehen, dass bei den unschuldigen „Klimperern“ etwas in Gange gekommen war. Große Unterstützung erhielt das Mandolinenorchester in dieser Umbruchphase von dem damaligen Vorsitzenden Albert Kämmerer. Er hatte Sinn für die Musik und wusste in die Zukunft zu investieren.

 

Das Jahr 1984 ist erwähnenswert. Hier trat das Mandolinenorchester dem BDZ Bund Deutscher Zupfmusiker bei, was vorher sieben Jahre langer Überzeugungsarbeit bedurfte. Heute zeigt sich, dass der Beitritt zum BDZ und damit die Nähe zu einem größeren Umfeld Gleichgesinnter, die Orchester- sowie die Nachwuchsarbeit auf eine neue Basis gestellt hat.

 

Seit 1984 zierte auch erstmals das neue LOGO, eine Gitarre mit davor stehender Mandoline und integriertem Dudenhöfer Kirchturm nebst dem alten Wanderclub Symbol - Edelweiß mit Enzian -, Plakate und Konzertprogramme. Und in diesem Jahr entstand unter der Leitung von Uli Kratz (bis 1994) aus einem kleinen Kreis engagierter Jugendlicher ein lebendiges Jugendorchester, das bis 2004 unter der Leitung von Birgit Pezza, Jan Masuhr, Volker Kratz und Simon Behring sehr aktiv eigene Konzerte und Projekte veranstaltete und zum Bestand des Orchesters beitrug.

 

Seit 1984 das Wanderheim Probedomizil des Hessischen Zupforchesters und Gisela Schmidt Organisatorin und Stammspielerin wurde, spielen auch einige Spielerinnen und Spieler des MO Dudenhofen im Hessischen Zupforchester und Jugendzupforchester Hessen mit, was sowohl dem eigenem Können als auch der allgemeinen Motivation deutliche Unterstützung gab.

 

Drei besonders motivierte jugendliche Nachwuchsspieler bildeten 1988 mit drei Gleichgesinnten aus dem Mandolinenverein Spessartfreunde Neu-Isenburg ein Sextett, das 1991 einen 3. Bundessieg bei dem Wettbewerb „Jugend musiziert“ errang.

 

Nach dem Ausscheiden von Rudolf Schüler 1991 übernahmen dann die Frauen das Dirigat.

Frau Charlotte Flörke dirigierte für eine Übergangsphase von einem halben Jahr das Orchester. Ihr folgte Frau Petra Hübner für zwei Jahre (bis 1994). Nachgewachsen aus der eigenen Jugend folgte dann Birgit Baumann, jetzt mit Namen Pezza. Im Jahr 2019 feiert Birgit Pezza ihr 25 jähriges Dirigentinnenjubiläum und kann auf sehr fruchtbare und prägende Jahre der Orchesterleitung zurückblicken.

 

Über alle Jahre hinweg erfolgte eine kontinuierliche Weiterentwicklung. Die guten Grundlagen aus den Vorjahren bewährten sich jetzt. Das Orchester hatte sich einen guten Ruf erworben und spielte auf relativ hohem Niveau.

 

Die Liste der Aktivitäten ist zu umfangreich, um hier näher darauf einzugehen. Zu nennen sind einige bedeutende Auftritte, wie z. B. die Mitwirkungen bei den Hessischen Landesmusikfesten in Wiesbaden, Lieblos, Fulda, Darmstadt, Wetzlar, Schlitz und beim Hessischen Orchesterwettbewerb, zwei Konzertreisen in die Partnerstadt Nieuwpoort/Belgien und die sehr erfolgreiche Teilnahmen am Mandolinenwettstreit in Eupen/Belgien, Zeil/Bayern und Jülich-Koslar, wo höchste Punktzahlen erreicht wurden. Weiterhin wurden zwei Rundfunkaufnahmen und die erste Konzertreise ins Ausland, nach Italien, unternommen. Das MO Dudenhofen war Gastgeber ausländischer Mandolinenorchester aus USA, Japan, Australien und England.

 

2006 begann eine sechsjährige fruchtbare Zusammenarbeit mit zwei professionellen Mandolinen- und Gitarrenspieler, Elena Olenchyk und Valerij Kisseljow, die mit Gisela Schmidt zusammen eine Projektarbeit an zwei Rodgauer Grundschulen einführten. Als Ergebnis konnte 2009 das erste Kinderorchester beim Landesmusikfest in Schlitz teilnehmen. Leider endete dieses Erfolgsmodell mit dem beruflich bedingten Weggang der beiden Bezugspersonen.

 

2007 entstand die erste CD des Orchesters mit dem Titel „Edelweiß“, die so gut angenommen wurde, dass im Jahr 2010 aus dem Mitschnitt eines Benefizkonzertes für die Ev. Kirche Dudenhofen eine zweite CD angefertigt wurde, „Mandolinen unterm Kirchendach“. Es erfolgten Teilnahmen am Hessischen Orchesterwettbewerb und an den Landesmusikfesten des BDZ.

 

Im Jahr 2019 kann man sagen, dass das MO Dudenhofen gut in der Neuzeit der Zupforchester angekommen ist. Der Altersdurchschnitt liegt bei 46 Jahren und ist damit vergleichsweise niedrig. Organisatorisch ist das 21 Spieler- und Spielerinnen zählende Ensemble nach wie vor dem Wanderclub Edelweiß als „Abteilung“ angegliedert und in dessen Satzung als Satzungsziel verankert. Es ist eine feste Größe in der Kulturszene Rodgaus und Umgebung. Derzeit wird über die Neufindung eines Orchesternamens diskutiert aber noch fehlt es an einer zündenden zum Orchester passenden Überschrift.

 

Nach 45 Jahren „organisatorischer Leitkultur“ wird Gisela Schmidt die Planungen und Projektdurchführungen für das Orchester im Jahr 2019 abgeben.

 

Gisela Schmidt

30.1.2019